Differenzkern

Ein Differenzkern, auch Egalisator oder nach der englischsprachigen Bezeichnung Equalizer genannt, ist eine Verallgemeinerung des mathematischen Begriffes Kern auf beliebige Kategorien.

Definition

In einer Kategorie seien zwei Morphismen f , g : X Y {\displaystyle f,g\colon X\rightarrow Y} gegeben. Ein Differenzkern von f {\displaystyle f} und g {\displaystyle g} ist ein Morphismus i : Z X {\displaystyle i\colon Z\rightarrow X} mit folgenden Eigenschaften:

  • f i = g i {\displaystyle f\circ i=g\circ i} und
  • zu jedem Morphismus i : Z X {\displaystyle i'\colon Z'\to X} , für den f i = g i {\displaystyle f\circ i'=g\circ i'} gilt, gibt es genau einen Morphismus c : Z Z {\displaystyle c\colon Z'\to Z} , so dass i = i c {\displaystyle i'=i\circ c} .[1][2]

Z c i Z i X g f Y {\displaystyle {\begin{array}{ccccc}Z'&&&&\\\downarrow ^{c}&\searrow ^{i'}&&&\\Z&{\xrightarrow[{i}]{}}&X&{\underset {f}{\overset {g}{\rightrightarrows }}}&Y\\\end{array}}}

Beispiele

  • In den Kategorien Set der Mengen, Top der topologischen Räume, R {\displaystyle R} -Mod der Linksmoduln über einem Ring R {\displaystyle R} ist in der Situation obiger Definition die Inklusionsabbildung
i : { x X f ( x ) = g ( x ) } X {\displaystyle i\colon \{x\in X\mid f(x)=g(x)\}\hookrightarrow X}
ein Differenzkern. Insbesondere in der zuletzt genannten Kategorie ist
{ x X f ( x ) = g ( x ) } = { x X ( f g ) ( x ) = 0 } {\displaystyle \{x\in X\mid f(x)=g(x)\}=\{x\in X\mid (f-g)(x)=0\}}
automatisch ein Untermodul, der mit dem Kern der Differenz f g {\displaystyle f-g} zusammenfällt, was die Bezeichnung Differenzkern erklärt.
  • In den Kategorien der Gruppen, abelschen Gruppen, Vektorräume oder Ringe ist der Differenzkern zweier Morphismen durch den Differenzkern der zugrundeliegenden Mengenabbildungen gegeben.
  • Hat die betrachtete Kategorie Nullobjekte und ist in der Situation obiger Definition g = 0 X Y {\displaystyle g=0_{XY}} der Nullmorphismus X Y {\displaystyle X\rightarrow Y} , so ist ein Differenzkern von f {\displaystyle f} und 0 X Y {\displaystyle 0_{XY}} nichts anderes als ein Kern von f {\displaystyle f} . Damit ist jeder Kern ein Beispiel für einen Differenzkern.

Bemerkungen

  • Differenzkerne sind nicht eindeutig bestimmt. Sind aber in der Situation obiger Definition i : Z X {\displaystyle i\colon Z\rightarrow X} und i ~ : Z ~ X {\displaystyle {\tilde {i}}\colon {\tilde {Z}}\rightarrow X} zwei Differenzkerne von f {\displaystyle f} und g {\displaystyle g} , so folgt aus der Eindeutigkeiteigenschaft, dass es einen eindeutig bestimmten Isomorphismus c : Z ~ Z {\displaystyle c\colon {\tilde {Z}}\rightarrow Z} mit i ~ = i c {\displaystyle {\tilde {i}}=i\circ c} gibt. Differenzkerne sind also bis auf (eindeutige) Isomorphie bestimmt, weshalb man oft von dem Differenzkern spricht und ihn mit k e r ( f , g ) {\displaystyle \mathrm {ker} (f,g)} bezeichnet.
  • In einer weiteren sprachlichen Ungenauigkeit nennt man das Objekt Z {\displaystyle Z} den Differenzkern. Der eigentlich gemeinte Morphismus ist dann immer eine naheliegende Inklusionsabbildung, die unerwähnt bleiben kann.
  • Man sagt, eine Kategorie habe Differenzkerne, wenn es zu je zwei Morphismen f , g : X Y {\displaystyle f,g\colon X\rightarrow Y} einen Differenzkern gibt. Die in den obigen Beispielen genannten Kategorien Set, Top und R {\displaystyle R} -Mod haben offenbar Differenzkerne. Die Unterkategorie Set2 der mindestens zweielementigen Mengen von Set hat keine Differenzkerne.[3]
  • Differenzkerne sind Monomorphismen.[4] Die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht. Diejenigen Monomorphismen, die als Differenzkern auftreten, nennt man regulär.
  • Differenzkerne sind spezielle Limites, nämlich die von Funktoren I C {\displaystyle {\mathcal {I}}\rightarrow {\mathcal {C}}} (auch I {\displaystyle {\mathcal {I}}} -förmige Diagramme genannt), in welchen die Kategorie I {\displaystyle {\mathcal {I}}} aus zwei Objekten mit jeweiligen Identitäten und zwei parallelen Morphismen zwischen ihnen besteht.

Äquivalente Beschreibung

Ein Differenzkern zweier Morphismen f , g : X Y {\displaystyle f,g\colon X\to Y} in einer beliebigen Kategorie kann auch als das durch die folgenden äquivalenten Eigenschaften charakterisierte Unterobjekt i : ker ( f , g ) X {\displaystyle i\colon \ker(f,g)\to X} von X {\displaystyle X} beschrieben werden:

Hom ( T , ker ( f , g ) ) ker ( Hom ( T , f ) , Hom ( T , g ) ) {\displaystyle \operatorname {Hom} (T,\ker(f,g))\cong \ker(\operatorname {Hom} (T,f),\operatorname {Hom} (T,g))}

wobei

Hom ( T , f ) : Hom ( T , X ) Hom ( T , Y ) {\displaystyle \operatorname {Hom} (T,f)\colon \operatorname {Hom} (T,X)\to \operatorname {Hom} (T,Y)}
Hom ( T , f ) ( t ) := f t {\displaystyle \operatorname {Hom} (T,f)(t):=ft}

und der Differenzkern auf der rechten Seite der oben beschriebene Differenzkern in der Kategorie der Mengen ist, nicht der in der betrachteten Kategorie.

Des Weiteren soll der Isomorphismus in Punkt 2 natürlich in T {\displaystyle T} sein, das heißt: Nennen wir die Familie von Isomorphismen

φ T : Hom ( T , ker ( f , g ) ) ker ( Hom ( T , f ) , Hom ( T , g ) ) {\displaystyle \varphi _{T}\colon \operatorname {Hom} (T,\ker(f,g))\to \ker(\operatorname {Hom} (T,f),\operatorname {Hom} (T,g))}

dann gilt für alle a : T 0 T {\displaystyle a\colon T_{0}\to T} und alle t {\displaystyle t} für die der folgende Ausdruck definiert ist, dass

φ T 0 ( t a ) = φ T ( t ) a {\displaystyle \varphi _{T_{0}}(ta)=\varphi _{T}(t)a}

Siehe auch

  • Differenzkokern

Einzelnachweise

  1. B. Pareigis: Kategorien und Funktoren, B. G. Teubner (1969), Kapitel 1.9: Differenzkerne und -kokerne
  2. Horst Herrlich, George E. Strecker: Category Theory, Allyn and Bacon Inc. 1973, Definition 16.2
  3. Horst Herrlich, George E. Strecker: Category Theory, Allyn and Bacon Inc. 1973, Beispiele 16.9
  4. Horst Herrlich, George E. Strecker: Category Theory, Allyn and Bacon Inc. 1973, Satz 16.4