Chilperich II.

Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Zum König der Burgunden siehe Chilperich II. (Burgund).
Urkunde Chilperichs II. vom 28. Februar 717 für die Abtei Saint-Denis. Paris, Archives nationales, K 4, Nr. 3

Chilperich II. Daniel (* um 670; † zwischen 30. Januar und 13. Mai 721 in Noyon) war von Ende 715 bzw. Anfang 716[1] bis 721 Frankenkönig aus dem Haus der Merowinger. Er war wahrscheinlich ein Sohn des 675 ermordeten Frankenkönigs Childerich II. und der Bilichild, Tochter des Königs Sigibert III.

Der junge Chilperich wurde nach der Ermordung seiner Eltern in ein Kloster verbannt, wo er 40 Jahre lang als „Bruder Daniel“ lebte. Ende 715 oder Anfang 716 wurde er von den Gegnern Karl Martells, dem Hausmeier Raganfrid und Plektrudis von Austrien, als Nachfolger Dagoberts III. zum König von Neustrien erhoben, dem Kerngebiet des Frankenreiches. Die Pfalz Compiègne war seine Residenz.

Berühmt ist die Aussage in späteren Quellen, er sei zumeist von Raganfrid auf einem zeremoniellen Ochsenkarren bei seinen Zügen mitgeführt worden. Tatsächlich aber wurde er lediglich mit einem der Tradition entsprechenden Wagen auf das jährliche Märzfeld gebracht. Nach Ansicht von Historikern wie Sebastian Scholz und Ian Wood kämpfte der König sogar persönlich in der Schlacht und war nicht nur eine Marionette seines Hausmeiers: Insgesamt ist die neuere Forschung skeptischer, was die Behauptung der unter den siegreichen Karolingern verfassten Quellen betrifft, die letzten Merowinger seien sämtlich nur jämmerliche Schattenkönige gewesen. Der anonyme Autor einer zeitgenössischen Chronik, die im englischen Jarrow entstand, schildert Chilperich 717 jedenfalls als mächtigen Herrscher (Historia Abbatum auctore anonymo 32).

Chilperichs bzw. Raganfrids Kampfbündnisse mit dem Friesenherzog Radbod (717) und Eudo von Aquitanien (718) gegen die starke Opposition der Karolinger, insbesondere gegen Karl Martell, scheiterten jedoch. Karl besiegte die Neustrier bei Amel (französisch Amblève), Vinchy (21. März 717) und in der Schlacht bei Soissons (718/719). Als der von Karl Martell gestützte Chlothar IV. 719 starb, ließ Karl sich Chilperich II. von Eudo ausliefern und erkannte ihn mit der Wiederherstellung seines Einflusses in Neustrien als König an. Erst ab diesem Zeitpunkt dürfte Chilperich tatsächlich entmachtet gewesen sein.

Chilperich II. starb im Jahre 721 und wurde in Noyon beigesetzt. Karl Martell bestimmte Theuderich IV. zum Nachfolger. Es ist unklar, ob der letzte Merowingerkönig Childerich III. Chilperichs Sohn gewesen ist.

Unklar ist auch sein Name. Denkbar ist, dass er als Daniel getauft wurde und später Chilperich als Krönungsnamen annahm, um seine dynastische Legitimation zu betonen und Kampfbereitschaft und Unabhängigkeit auszudrücken, oder dass er als Chilperich geboren wurde und bei seinem Eintritt in das Kloster den Namen Daniel erhielt.

Literatur

  • Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich. 4. ergänzte Auflage. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2001, ISBN 3-17-017044-9 (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 392).
  • Pierre Riché: Die Karolinger. Eine Familie formt Europa. Albatros, Düsseldorf 2003, ISBN 3-491-96096-7.
  • Josef Semmler: Zur pippinidisch-karolingischen Sukzessionskrise 714–723. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters. Band 33, 1977, S. 1–36.
  • Rudolf Schieffer: Die Karolinger. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 1992, ISBN 3-17-010759-3 (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 441).
  • Sebastian Scholz: Die Merowinger. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2015, ISBN 978-3-17-022507-7 (Kohlhammer-Urban-Taschenbücher 748).
  • Urkunde über Karl Martells „entscheidenden Sieg über die Neustrier“ zu Vinciago „in pago Cameracensi“ am 21. März 717, RI I n. 30r, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0717-03-21_1_0_1_1_0_112_30r (Abgerufen am 15. Januar 2015).
  • Urkunde über Karl Martells Heerfahrt gegen König Chilperich II., Raganfrid und Eudo von Aquitanien von 719, RI I n. 31b, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0719-00-00_1_0_1_1_0_118_31b (Abgerufen am 15. Januar 2015).
  • Urkunde über den Sieg Karl Martells „über die Gegner...ad Suessionis civ.“ von 719, RI I n. 31c, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0719-00-00_2_0_1_1_0_119_31c (Abgerufen am 15. Januar 2015).
  • Urkunde über Karl Martells Verfolgung des „Eudo über Paris; Eudo entkommt über die Loire und führt Chilperich und dessen Schätze mit“ von 719, RI I n. 31d, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0719-00-00_3_0_1_1_0_120_31d (Abgerufen am 15. Januar 2015).
VorgängerAmtNachfolger
Dagobert III.König der Franken
715–721
Theuderich IV.
(Gegen)König Chlothar IV.

Einzelnachweise

  1. RI I n. 30o, in: Regesta Imperii Online, URI: http://www.regesta-imperii.de/id/0715-00-00_3_0_1_1_0_109_30o (Abgerufen am 18. Juni 2023)
Normdaten (Person): GND: 137339186 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 81543412 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Chilperich II.
KURZBESCHREIBUNG Frankenkönig aus dem Haus der Merowinger (716–721)
GEBURTSDATUM um 670
STERBEDATUM zwischen 30. Januar 721 und 13. Mai 721
STERBEORT Noyon